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[ lüstige Geschichten aus dem Leben von Aussiedlern]
 
Männerfreundschaft

Oleg Pinselman quälte die Frage, ob Angela Merkel sich mit Wladimir Putin richtig befreunden kann.

Pinselman fand die Freundschaft zwischen Schröder und Putin schön und außerdem sehr wichtig für die russisch-deutschen Beziehungen. Die angenehme Stimme des Kanzlers, sein Hochdeutsch, das Pinselman immer verstand und sehr bewunderte, und eben diese Freundschaft zwischen den beiden großen Machthabern - das waren die entscheidenden Faktoren, die dem Kanzler Pinselman's Stimme bei der ersten Wiederwahl gesichert haben. Pinselman war zwar bereit auch bei den nächsten vorgezogenen Wahlen Schröder zu unterstützen, es sah aber danach aus, dass nicht alle Einwohner der Bundesrepublik auf Kanzlers Stimme und seine Kumpelschaft mit Putin so viel Wert legten, wie er es tat.

Es hieß also, dass eine Frau den höchsten politischen Posten in Deutschland bekommen wird und das machte Pinselman Sorgen. Wird es zwischen ihr und Putin weiter, als bloßes Händeschütteln gehen? Ist es nun vorstellbar, dass die beiden sich oft miteinander treffen, ungezwungen per Telefon plaudern, unanständige Witze über George W. Busch reißen, dass sie gemeinsam angeln gehen und dabei ein Gläschen Wodka kippen? Pinselman hatte zwar persönlich keine Erfahrung als Politiker und wollte auf keinen Fall sexistisch sein, aber er zweifelte daran.

Soweit Pinselman sich erinnern kann, war es ein einziges Mal in seinem Leben, als eine Frau eine bestimmte Beziehung, die eigentlich Männerteilnahme voraussetzt und erwartet, in eine positive Richtung änderte. Es war noch in der Schule in Karaganda.

Als alter Sportlehrer Ewgenij Petrowitsch, dessen Beine (angeblich von Reiten) einen wohlformigen Kreis bildeten, pensioniert wurde, kündigte die Schuldirektorin seinen Sohn Andrej Ewgenievitsch, dessen Beine (angeblich genetisch bedingt) ebenfalls einen Kreis bildeten, als Nachfolger an. Es kam aber anders - eines Tages stand vor der Klasse eine junge schlanke schwarzhaarige Frau und teilte allen mit, sie sei ihre neue Sportlehrerin. Es war in der ganzen langen Geschichte der Schule die erste Frau, die Sport unterrichten durfte.

Pinselman war auf der Stelle in sie verliebt. Die einzige Chance möglichst länger in ihrer Nähe zu bleiben war eine gute sportliche Leistung. Er strengte sich an und schon bald war er der erste in 2000m-Lauf und warf beim GTO-Wettkampf seine Handgranate so weit, dass sogar immer missgelaunter Oberst Serik Asipovitsch, der in der Schule für die Vorbereitung zum Militärdienst veranwortlich war, meinte, dass man mit solchen Jungs noch 1941 vor Smolensk die deutschen Truppen stoppen können hätte.

Nachts tippte Pinselman auf der Schreibmaschine seines Vaters eine Liebeserklärung, die er demnächst seinem Objekt der Begierde übergeben wollte. Es kam aber anders - bald flog die unverheiratete Sportlehrerin aus der Schule heraus, weil sie schwanger wurde (Gerüchten nach von Andrej Ewgenievitsch). Pinselman war am Boden zerstört. Er ließ sich von seinem Onkel, der Arzt war, vom Sportunterricht befreien. Er konnte die Gestalt von Andrej Ewgeniewitch, der den Sportunterricht übernahm, nicht mehr ertragen.

So saß Pinselman auf seinem Fernsehsessel, wartete auf die Tagesschau, um sich von Ulrich Wickert eine geruhsame Nacht wünschen zu lassen und fragte sich, ob diese Geschichte aus seiner Kindheit auf irgendeine Weise auf Putin mit Merkel übertragen werden könnte.

Wickert war heute nicht da. Im Fernsehstudio saß und lächelte ihn nett an - Anne Will. Zu seinem eigenen Staunen war Pinselman sehr froh darüber. Er lächelte Anne Will zurück und rückte seinen Sessel näher an den Fernseher.




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